Vor 20 Jahren wurde das menschenfeindliche Saisonnierstatut abgeschafft. Die Diskriminierung von Migrant:innen dauert jedoch an. Die Unia erinnerte mit einer Aktion vor dem Parlament an die Ausbeutung der Saisonniers – und fordert ein sicheres Aufenthaltsrecht für Arbeitnehmende ohne Schweizer Pass.
Hilmi Gashi
Von 1931 bis 2002 galt in der Schweiz das Saisonnierstatut. Es schuf eine Kategorie von diskriminierten Arbeitskräften ohne sicheren Aufenthaltsstatus, die in gefährlichen und körperlich anspruchsvollen Jobs zu Tiefstlöhnen arbeiteten. Das Saisonierstatut erlaubte es der Schweiz, die Zuwanderung den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes anzupassen. Jahr für Jahr durften Saisonniers für maximal 9 Monate hier arbeiten, und mussten die Schweiz anschliessend für 3 Monate wieder verlassen. Sie schufteten auf Schweizer Baustellen, in der Gastronomie, in der Industrie, Landwirtschaft und wohnten oft am Stadtrand in Baracken, weit weg von ihren Familien. «Es war keine schöne Zeit» erinnert sich Antonio Ruberto, der Jahrelang als Saisonier in der Schweiz gearbeitet hat. Am härtesten sei die Zeit für jene gewesen, die Frauen und Kinder in der Heimat hatten. «Sie durften diese nicht in der Schweiz mitnehmen. Das war unmenschlich». Hinzu kam die ständige Ungewissheit: «Ich wusste nach Ende der Saison nicht, ob ich wieder in die Schweiz arbeiten darf und schaute jeden Tag bei der Post in meinem damaligen Wohnort in Italien vorbei, ob ein Visum für eine weitere Saison gekommen ist».
Migrationspolitik diskriminiert weiterhin Arbeitnehmende
Trotz vieler Fortschritte, die die Personenfreizügigkeit mit der EU und die flankierenden Massnahmen brachten- es gibt auch viele Verschlechterungen. So gelten für sogenante Dritstaatsangehörige immer noch Kontingente. Diese werden aber nur für hochqualifizierte Stellen vergeben. Die Folge sind illegalisierte Arbeitnehmende in nicht qualifizierten Berufen. Aber auch EU – Bürger:innen, die mit einer Kurzaufenthaltsbewilligung in der Schweiz, sind in einer prekären Situation. Ausserdem können alle Migrant:innen bei persönlichen und finanziellen Schwierigkeiten das Aufenthaltsrecht verlieren. Das gab es nicht einmal zu Zeiten des Saisonnierstatuts: Wer damals eine Niederlassungsbewilligung erlangte, hatte nach 15 Jahren einen relativ sicheren Aufenthalt in der Schweiz. Dies ist heute nicht mehr der Fall. Diesen unwürdigen Zustand muss das Parlament rasch beseitigen: Wer sich, seit mehr als 10 Jahren ununterbrochen und ordnungsgemäss in der Schweiz aufhält, muss Sicherheit über den Aufenthaltsstatus haben, wie es auch eine hängige parlamentarische Initiative von Nationalrätin Samira Marti fordert. bit.ly/3zjs3mq
Grössere Sensibilität der Politik gefordert
Mit einer Aktion vor dem Bundeshaus und Flugblättern machte die Unia die Parlamentarier:innen darauf aufmerksam, dass auch 20 Jahre nach Ende des Saisonnierstatus viel zu tun bleibt. Die Würde und Integrität aller Menschen, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, müssen respektiert werden. Insbesondere müssen prekäre Aufenthaltssituationen, die Arbeitnehmende verletzlich machen und ein Einfallstor für Ausbeutung und Sozialdumping sind, ein Ende haben. Sonst drohen Zustände wie unter dem Saisonnierstatut auf Umwegen wieder in der Schweizer Arbeitswelt Einzug zu halten.
«Das was ich als Saisonier erlebt habe war nicht schön und das wünsche ich niemandem», sagt Antonio, der zusammen mit anderen Vertrauensleuten bei der Verteilaktion dabei war.
Resolution der Unia: bit.ly/3MuD9rF
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