Die Teilhabe am politischen Leben ist gut für die Demokratie und hat emanzipatorischen Charakter

Die Teilhabe am politischen Leben ist gut für die Demokratie und hat emanzipatorischen Charakter.

Sehr geehrte Frau Gemeinderätin Franziska Teuscher, sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte, Vertreterinnen und Vertreter des Jugendparlaments, Mitglieder der Fachkommission Integration, liebe Bernerinnen und Berner mit oder ohne Stimmrecht. Willkommen zum Forum der Migrantinnen und Migranten der Stadt Bern.

Die Teilnahme am gesellschaftlichen, kulturellen, wirtschaftlichen Geschehen ist POLITIK. Demzufolge sind alle Bürgerinnen und Bürger von Bern auch politisch handelnde Akteure. Die Einen mit mehr Rechte, die Anderen mit weniger.

Migrantinnen und Migranten tragen auf vielfältige Weise dazu bei, das unsere Stadt attraktiv, lebhaft und urbaner wird. Sie zahlen Steuern, leisten freiwillige Arbeit, engagieren sich im Quartier, in den Vereinen und dort wo das möglich ist, nehmen auch am politischen Leben. Mit anderen Worten: Sie übernehmen Verantwortung und leisten einen wichtigen Beitrag für das Wohlergehen der Gesellschaft, in dem sie sich kulturell, wirtschaftlich und politisch engagieren.

Doch wenn Gesetze verabschiedet und Wahlen stattfinden, die einen Einfluss auf ihr Leben haben, dürfen sie nicht mitbestimmen. Ihre Meinung, ihr politischer Wille ist nicht gefragt. Dieses Privileg haben nur Bernerinnen und Berner mit Schweizerpass. Und das ist für uns Migrantinnen und Migranten unverständlich. Vor allem wenn man bedenkt, dass wir ein einem Land leben, das stolz ist auf ihre direkte Demokratie.

Die Verfassung des Kantons Bern erlaubt es den Migrantinnen und Migranten nicht abstimmen zu dürfen, sich zur Wahl zu stellen oder gewählt zu werden, weil sie den Schweizerpass nicht haben. Viele Bemühungen der progressiven Kräfte, die Verfassung des Kantons so zu ändern, dass es zumindest den Gemeinden erlaubt Stimm- und Wahlrecht für Migrantinnen und Migranten auf Gemeindeebene einzuführen, sind an der Urne gescheitert. So kann die Stadt Bern kein Stimm- und Wahlrecht für Migrantinnen und Migranten einführen, obwohl die Stadt bei der letzten Abstimmung Ja zur Initiative „Zäme Läbe, zäme Stimme“ gesagt hat.

Dass es der Stadt Bern ernst ist mit der politischen Teilhabe von Migrantinnen und Migranten ist, zeigt auch die Einführung des Partizipationsreglements beziehungsweise der Partizipationsmotion. Das auch das Thema vom heutigen Forum ist.  Über das Partizipationsreglement wurde abgestimmt und die Bernerinnen und Berner haben Ja gesagt. Zwar ist die Partizipationsmotion nicht dasselbe, wie Wahl und Stimmrecht, aber es ist ein wichtiges Instrument, dass eine – auch wenn sehr beschränkte- Teilhabe an der Gestaltung der Stadtpolitik ermöglicht.

Wie dieses komplexe Instrument richtig angewendet wird, diskutieren wir heute Abend. Ich danke schon jetzt allen Expertinnen und Experten, die mit uns die Anwendungsmöglichkeiten ausloten und uns die formalen Kriterien erklären und näherbringen.

Last mich bitte mit folgenden Gedanken aufhören!

Vor nicht sehr langer Zeit durfte in der Schweiz die Hälfte der Bevölkerung –notabene Schweizerbürgerinnen- nicht mitreden, wenn Gesetze verabschiedet wurden, auch wenn diese Gesetze direkten Einfluss auf ihr Leben, ihren Alltag, ihre Arbeit und ihre Zukunft hatten. Was gut für die Gesellschaft und für das Land war, bestimmte der andere Teil der Bevölkerung, der männliche Teil der Schweiz.

Doch dank des Langen, engagierten und emanzipatorischen Kampfes der Frauen, wurde das Stimm- und Wahlrecht eingeführt. Es hat dafür mehrere Anläufe gebraucht. Seit 1971 können Frauen wählen und gewählt werden.

Ich stehe nun heute Abend vor euch und kann unsere Gemeinderätin, Franziska Teuscher begrüssen und Stadträtinnen auch. Vor 1970 war das nicht der Fall. Da hätte ich höchstens einen Gemeinderat Franz Teuscher begrüssen können.

Ich hoffe, dass mein Nachfolger, meine Nachfolgerin in nicht allzu ferner Zukunft eine Gemeinderätin Bytyqi, Da Costa, Petrovska, Gashi begrüssen darf. Das wäre gut für Bern und für die lebhafte Demokratie.

Ich danke und wünsche uns einen anregenden und spannenden Abend.

Meine Rede am Forum für Migrantinnen und Migranten der Stadt Bern in meiner Funktion als Präsident der Fachkommission Integration der Stadt Bern.

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