Portrait: Hilmi Gashi
Die Wirtschaftskrise werden die MigrantInnen stärker ausbaden müssen, warnt der neue Co-Präsident von Solidarité sans frontières.
«In wirtschaftlich schlechten Zeiten werden Migranten als Puffer gebraucht, um die Arbeitslosenzahlen bei den Einheimischen tief zu halten», sagt Hilmi Gashi. Der 42-jährige Gewerkschafter ist neuer Co-Präsident von Sosf.«Viele Ausländer verfügen lediglich über einen B-Ausweis, mit Aufenthaltszweck ‹Arbeit›.» Wenn sie in der Krise ihre Stelle verlieren würden, müssten sie, falls sie auf Sozialhilfe angewiesen wären, die Schweiz verlassen. «Hier muss Solidarité sans frontières genau hinschauen und zu verhindern versuchen, dass die Krisenbewältigung auf dem Buckel der Schwachen betrieben wird», so Gashi. Der selbstsicher auftretende Mann kennt die Problematik einer unsicheren Aufenthaltsbewilligung aus eigener Erfahrung: Zu Beginn der neunziger Jahre kam er in die Schweiz – als Saisonnier auf dem Bau. 1991 wurde das Saisonnierstatut aufgehoben, was in seinem Umfeld für Tragödien gesorgt habe: «Bekannte mussten untertauchen, weil sie um wenige Tage die erforderliche Aufenthaltsdauer verpasst hatten, die es für einen B-Ausweis gebraucht hätte», erinnert sich Gashi. Er selber konnte bleiben und setzte sein in Pristina begonnenes Wirtschaftsstudium an der Uni Fribourg fort. Im Nebenjob arbeitete er als Übersetzer bei Anhörungen im Asylverfahren. «Die Einzelschicksale haben mich zwar berührt, aber spezifisch mit Migrations- oder Flüchtlingspolitik habe ich mich damals noch nicht beschäftigt», so Gashi. Vielmehr habe er sich in der alternativen Kulturszene im Umfeld der Berner Reitschule bewegt. «In diesen Kreisen war es nichts besonderes, Ausländer zu sein.» Auch seien die KosovarInnen zu jener Zeit noch eine eher kleine, gesellschaftlich unscheinbare Gruppe gewesen. Das sollte sich jedoch bald ändern. Als die SVP Mitte der neunziger Jahre gegen Kosovo-AlbanerInnen zu hetzen begann, thematisierte dies Gashi in seiner Sendung auf Radio Rabe, dem Berner Alternativsender, den er mit aufzubauen geholfen hatte. Journalistisch beschäftigten ihn auch die Einführung der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht oder Verschärfungen im Asylgesetz. Dann kam der Kosovo-Krieg. Gashi arbeitete nun beim Roten Kreuz mit Kosovo-Flüchtlingen. «Es ging hauptsächlich darum, die Leute über die Lage in ihrer Heimat zu informieren und sie zu beschäftigen». Heute ist Gashi bei der Gewerkschaft Unia im Bereich Migration tätig. Als Vertreter der Unia beteiligte er sich ab 2005 an der von Sosf koordinierten Kampagne «Wir sind die Schweiz». An Sosf schätze er seither das «Gspüri» der Organisation für den Puls der Zeit und die Fähigkeit, grössere Kampagnen in Zusammenarbeit mit Basisorganisationen anzupacken. Besonders gefreut habe ihn, dass Sosf sowohl gegen das Asyl- als auch gegen das neue Ausländergesetz das Referendum ergriffen habe. Selber abstimmen konnte Hilmi Gashi dann allerdings nicht. «Dieses Grundrecht bleibt weiterhin vielen Leuten verwehrt, obwohl sie hier verwurzelt sind und gut über das politische Geschehen informiert sind», sagt der Vater zweier Kinder, der den Schweizer Pass inzwischen erhalten hat.
Autor Dinu Gautier
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