Mathias Raflaub
Rund 5000 Personen demonstrierten am Samstag in Bern für die Rechte der Ausländer in der Schweiz und für ein doppeltes Nein zur Ausschaffungsinitiative. Auf der Kleinen Schanze richteten sich nach der Kundgebung Besetzer ein.
Ein bunter, multikultureller Umzug mit Musik und Vuvuzela-Tröten zog am Samstag im Bern vom Waisenhaus- über den Kornhaus- auf den Bundesplatz. Die Vereinigung «Solidarité sans frontières» und mehr als 50 Gewerkschaften, Migranten- und Menschenrechtsorganisationen hatten unter dem Motto «Freiheit, Gleichheit, Würde – Für mich und dich» zur Grosskundgebung aufgerufen. Die Demonstranten – laut den Organisatoren bis zu 5000 Menschen – skandierten eine Reihe von Positionen für eine andere Ausländerpolitik in der Schweiz. Sie forderten Rechte und Menschenwürde für Sans-Papiers ein und sprachen sich gegen die Ausschaffungsinitiative der SVP aus. Verschiedene ausländische Volksgruppen machten gleichzeitig auf ihre Anliegen aufmerksam.
«Wir sind alle gleich»
Er marschiere «für den Sieg der Würde», sagte ein Mann aus der zentralafrikanischen Republik Kongo. Mit einem Kollegen trägt er die blau-rot-gelbe Landesfahne durch die Gassen. Gekommen waren sie aus Lausanne. «Wir sind alle gleich», sagte er in Französisch. Hilmi Gashi, Ko-Präsident von Solidarité sans frontières, betonte, dass die Ausschaffungsinitiative nicht das Hauptthema der Kundgebung sei. «Alle, die gekommen sind, machen sich Sorgen über das vergiftete Klima des Zusammenlebens, welche die Politik unter dem Deckmantel des Kampfs gegen Missbrauch und Kriminalität schüren», sagte er. Die Ausschaffungsinitiative versteht er als neusten Auswuchs dieser Tendenz. Anders als Teile der Linken im Parlament kämpften die Organisationen am Samstag auch gegen den parlamentarischen Gegenvorschlag. Wird sich mit einem doppelten Nein nicht schwieriger argumentieren lassen als mit dem Gegenvorschlag in der Hinterhand, wenn die Initiative voraussichtlich im September zur Abstimmung gelangt? «Doch, es wird viel schwieriger», sagte Faton Topalli von der albanischen Gemeinschaft der Schweiz. Dennoch lehnt er den Gegenvorschlag ab. «Man schafft damit die Desintegration per Gesetz.» Für Ausländer würde ein anderer Massstab gelten. Zum Abschluss der Kundgebung stimmten die Teilnehmer mit Handerheben symbolisch über ihre Forderungen ab. «Jeder hat eine Stimme», rief ein Mitglied der Organisatoren ins Mikrofon, als sich die Hände zum Himmel erhoben.
Zeltstadt für Bleiberecht
Am späten Nachmittag zogen rund 200 Personen in den Park bei der Kleinen Schanze. Auf Initiative der schweizerischen Bleiberecht-Kollektive haben sie dort eine Zeltstadt eingerichtet. «Mit dieser Aktion treten wir aus dem Schatten», schrieben Sans-Papiers in einer Mitteilung. Der Schweizer Bevölkerung soll damit die Problematik der Sans-Papiers bekannt gemacht werden, von der eidgenössischen Politik fordern die Veranstalter die Regularisierung der Sans-Papiers in der Schweiz. «Wir leben seit langen Jahren in einer schrecklichen, prekären Situation, wir brauchen eine Lösung», sagte ein Sprecher des Bleiberechts-Kollektivs, ein papierloser Äthiopier, welcher seit zehn Jahren in der Schweiz lebt. Sicherheitsdirektor Reto Nause sagte auf Anfrage, die Besetzung werde bis heute Montagmorgen toleriert. «Die Demonstranten vertreten ein legitimes Interesse, auf die Lage der Sans-Papiers aufmerksam zu machen», sagte er, das Zeltlager sei aber unbewilligt. Die Besetzer zeigten gestern keine Absicht abzuziehen, ausser aus der Politik komme eine befriedigende Reaktion. Sollte die Zeltstadt stehen bleiben, werde man heute weiterschauen, sagte Nause. «Ich finde, es war schon grosszügig, dass wir die Besetzung toleriert haben.»
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