Die Sozialhilfe ist das letzte Netz zum Schutz vor Armut in unserem Land. Sie garantiert Menschen in einer Notsituation das Existenzminimum. Doch seit der Verschärfung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) im Jahr 2019 droht Personen ohne Schweizer Pass die Ausweisung, wenn sie auf Sozialhilfe angewiesen sind. Um dies zu verhindern, hat eine breite Allianz, zu der auch die Unia gehört, die Petition «Armut ist kein Verbrechen» lanciert. Damit wird die gleichnamige parlamentarische Initiative unterstützt, die eine Änderung der aktuellen Gesetzgebung in diesem Bereich fordert. In einer Notsituation Sozialhilfe zu beanspruchen, soll ein Recht sein, kein Verbrechen. Heute wurde die von 16’914 Menschen unterzeichnete Petition der Bundeskanzlei übergeben.
«In einem Land wie der Schweiz scheint das Thema Armut weit weg. Doch gemäss dem Bundesamt für Statistik (BFS) sind rund 745’000 Personen – darunter über 130’000 Kinder – von Armut betroffen», sagte SP-Nationalrätin Samira Marti vor den Medien in Bern. Die Verschärfung des AIG hat in zahlreichen Fällen dazu geführt, dass sich Menschen ohne Schweizer Pass aus Angst vor Ausschaffung nicht wagen, Sozialhilfe zu beanspruchen. «Personen, die seit mehr als zehn Jahren in der Schweiz leben und arbeiten, laufen Gefahr, ihren Aufenthaltsstatus und ihre Niederlassungserlaubnis zu verlieren, nur weil sie Sozialhilfe beziehen – obwohl diese legal ist», so Samira Marti.
«Die derzeitige Integrationspflicht bringt Ausländer:innen in eine kafkaeske Situation: Entweder machen sie ihr Recht auf finanzielle Unterstützung geltend und riskieren, die Schweiz verlassen zu müssen, oder sie leben in Armut, um ihre Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung nicht zu verlieren», sagte Benjamin Roduit, Mitte-Nationalrat und Präsident von ARTIAS, dem Westschweizer und Tessiner Verband der Sozialdienste. «Indem der Bund das Aufenthaltsrecht in der Schweiz von einem Nichtbezug von Sozialhilfe abhängig macht, höhlt er dieses verfassungsmässige Recht für Personen, die immerhin seit mehr als zehn Jahren integriert sind, weitgehend aus – mit dem Risiko, dass ein erheblicher Teil der ausländischen Bevölkerung verarmt und ausgegrenzt wird. Das unterläuft den im Gesetz verankerten Willen, die Integration dieser Personen zu fördern.»
Eine erfolgreiche Integrationspolitik fusst immer auch auf Bildung. «Die Schweiz muss den Fokus auf Bildung setzen, sie ist der Schlüssel zur beruflichen und sozialen Integration. Alle in der Schweiz lebenden Menschen – ob ausländischer Herkunft oder nicht – benötigen eine Berufsausbildung», sagte Christoph Eymann, Präsident der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) und alt LDP-Nationalrat. «Damit möglichst viele Menschen über eine Grundlage verfügen, die eigene Existenz und die ihrer Familie aus eigener Kraft zu sichern, muss die Sozialhilfe ihre Funktion als unterstes soziales Sicherheitsnetz weiterhin wahrnehmen können.»
Die Parlamentarische Initiative «Armut ist kein Verbrechen» wird von einer Allianz aus über 80 Organisationen unterstützt. Die gleichnamige, von 16’914 unterzeichnete Petition wurde heute der Bundeskanzlei übergeben – mit Blick auf die Behandlung des Geschäfts im Ständerat in der letzten Woche der laufenden Sommersession.
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